Schneeschuhwandern am Kreuzbergpass – 1

Termin 1 vom 26.01. bis 01.02.2020

Joachim Pohl:

Wenn ein Däne und ein Peruaner sich im deutschsprachigen Teil Italiens auf Spanisch unterhalten – dann hat die Sektion Flensburg des DAV ihre Finger im Spiel. Aber genau so war es Ende Januar in der südöstlichen Ecke der Dolomiten, am Kreuzbergpass, als sich zehn unverzagte Nordlichter in die Hände des Bergführers Aldo Guerrero (Peru) begaben, um das Wandern mit Schneeschuhen zu erlernen und zu praktizieren.

Richtigen dicken, pulverigen Schnee hatten einige der Gäste schon seit Jahren nicht mehr gesehen, geschweige denn unter den Füßen gehabt. Die Begeisterung war deshalb groß, als man am ersten Morgen aus den Betten des sehr angenehmen Hotels Kreuzbergpass kroch, in die man nach einer 14-stündigen Anfahrt und einem schnellen Essen am Vorabend gefallen war. Die gezackten Dolomitengipfel schienen zum Greifen nah. Der Schnee lag dezimeterdick. Der Himmel strahlte in schönstem Blau. Winter wonderland in Perfektion.

Dann kam die Ausrüstung. Kaum jemand war zuvor je auf diesen technischen Plastikplatten mit den gezackten Schienen an der Unterseite gelaufen. Mit mehreren Schnallen musste man die Dinger an seinen Wanderschuhen befestigen. Besonders die um die Ferse herum gestaltete sich als schwierig. „Das Anstrengendste am Schneeschuhwandern ist das Anziehen der Schneeschuhe“, ließ der Bergführer wissen. Und ein paar Minuten später: „Das Gefährlichste ist das Überqueren der Straße.“

Doch die Schneeschuhe waren nicht alles. Jeder Teilnehmer erhielt eine komplette Lawinenausrüstung. Eine Sonde, die man sich wie eine moderne Zeltstange zum Zusammenstecken vorstellen muss, mit der man nach den Verschütteten im Schnee stochert. Schaufel zum Ausgraben Verschütteter. Und als Krönung ein Sender, der aussah wie eine missglückte Kreuzung aus Walkman und frühem Nokia-Handy, der Signale gibt, wenn man selbst im Schnee steckt. Zur Beruhigung: Keines der Geräte kam zum Einsatz, mit Ausnahme der Schaufel, mit der hin und wieder mal eine Sitzfläche in einen Schneeberg gebuddelt wurde.

Der erste Tag diente dem Einlaufen. Zunächst auf einem breiten Weg, dann auf einem schmaleren, zugeschneiten hinauf zum ersten Berg der Tour, dem Seikofel (1908 Meter). Da boten sich erstmals prächtige Blicke zu den Kranichen Alpen drüber in Österreich und zu den Dolomiten gegenüber. Erste Ohs und Als, viele Fotos. Zur Belohnung führte Aldo die Flensburger Gruppe in die Berghütte „Nemes Alpe“, in der man sich mit Kaiserschmarren, Knödelsuppe, Kaffee und Radler belohnte.

Über Nacht kippte das Wetter, am Morgen danach zeigte sich der Himmel bedeckt, ein Wind wehte und es nieselte kleine Schneeflocken. Eigentlich kein Wetter zum Wandern. Doch die Gruppe ließ sich von zwei Fahrern des Hotels vom Pass auf die venezianische Seite hinunter fahren und auf einem Parkplatz aussetzen. Von hier ging es auf einem anfangs breiten, dann immer schmaler werdenden und am Ende verschwindenden Weg beharrlich bergauf, immer an einem Bach entlang, der schließlich auch mutig und ohne nasse Füße überquert wurde. Dann wurde es steil, es galt, den Cima di Colisei (1972 Meter) zu bezwingen. Das Wetter verschlechterte sich, in der Höhe kam Nebel hinzu, dafür wurden die Bäume weniger. Und die Sicht. Am Ende verschwanden alle Konturen, alle Ecke, Kurven, Horizonte, Fixpunkte fürs Auge. White-out!

Aber der erfahrene Bergführer bewahrte die Ruhe, schaute hier und dort und entschied schließlich, den Gipfel zum umwandern. Es musste ein recht steiler Hang gequert werden, was nach anfänglichem Zögern auch allen gelang. Wenig später fand man Wetterschutz in einem verlassenen Kuhstall, und danach nahm die Gruppe den Abstieg in Angriff, der sie fast direkt zum Hotel führte. Das war ein bisschen Abenteuer, das aber bei der Gruppe durchaus goutiert wurde.

Das Niesel-Nebel-Wetter blieb eine Ausnahme, tags drauf zeigte der Himmel wieder sein schönstes Alpen-Blau. Der Roteck mit immerhin 2390 Metern stand auf dem Programm. Dort wehte ein eisiger Wind, und so verharrte die halbe Gruppe im Windschutz einer geschlossenen Hütte, während die andere Hälfte Schnell zum Gipfel hinauflief, die obligatorischen Fotos machte und wieder herunter ging.

Spätestens nach dem dritten Tag hatte jeder den besonderen Reiz des Schneeschuhwanderns erkannt. Man bewegt sich mit den Schneeschuhen abseits des Skizirkus und der ausgetretenen Pfade, gelangt in unberührte Gegenden und läuft durch frische Schneefelder. Ein unbezahlbares Naturerlebnis in allerschönster Berglandschaft!

Die Königsetappe führte die Flensburger hinauf zu den Drei Zinnen, dem Wahrzeichen der Dolomiten. Knappe 1000 Höhenmeter waren zu bewältigen, und das war ein hartes Stück Arbeit.