Sektionswanderung von Brixen in die Civetta 2019

Joachim Pohl:

Die vom Summit Club ausgearbeitete Sommer-Wanderung der DAV-Sektion Flensburg brachte für die zwölf Teilnehmer phantastische Landschaftseindrücke und gesellige Abende, jedoch auch einige Überraschungen und unerwartete Wendungen. Das begann schon mit dem Guide. Kurzfristig hatte der Summit Club eine Änderung vorgenommen, und so begrüßte der aus Thüringen stammende Bergwanderführer Sven Pfeifer die muntere Flensburger Truppe im „Gasserhof“ im Brixener Ortsteil St. Andrä, wo man die erste Nacht verbrachte. Hier wurde auch mit großem Hallo DAV-Flensburg-Geschäftsführerin Rosi Gerlich begrüßt, die mit ihrem Wohnmobil gekommen war und zusammen mit der Gruppe das hervorragende fünfgängig Menü im „Gasserhof“ genoss.

Sven Pfeifer, der die gesamte Strecke in der Vorwoche bereits abgewandert war, bereitete die Gruppe psychologisch auf wechselhaftes Wetter vor, und das war gut so, denn im Laufe des Nachmittags des ersten Wandertages begann es zu regnen. Zum Glück konnte man in der kuscheligen „Rodelhütte“ seine Sachen trocknen und sich mit einem kalorienstarken Dinkel-Apfel-Strudel kräftigen. Zuvor war es morgens mit der Seilbahn auf den Brixener Hausberg Plose gegangen, hier begann die Wanderung, die in der Schlüterhütte in wunderschöner grüner Hochlage endete. Hier teilten sich alle zwölf Teilnehmer einen nicht gerade üppig bemessenen Raum. Voller Anerkennung lobte DAV-Vorsitzender Holger Heitmann am nächsten Morgen die Schlafdisziplin dieser Gruppe. Er habe noch nie mit so vielen Leuten in einem Raum so ruhig geschlafen.

Schon der zweite Tag brachte unerwartete, nicht nur erfreuliche Abwechslung. Beim Aufwachen um 6 Uhr schauten die Wanderer von ihrem Etagenbett aus durch das Fenster in eine dicke Waschküche mit Dauerregen. Doch beim Abmarsch um 8 Uhr hatte die sich aufgelöst und kurz danach kam die Sonne hervor. Es eröffneten sich phantastische Ausblicke in die Bergwelt, in tiefe Täler und auf entfernte Gipfel, und schon bald konnte der Guide erläutern, dass just hier die Dolomiten beginnen. Mehrere Fotostopps waren erforderlich, auch solche zur Stärkung und zum Wechseln der Kleidung, so dass der Guide hin und wieder nervös auf die Uhr schaute. Zwei knackige Anstiege durch Scharten hindurch waren zu bewältigen, und die Hütte für die erste Rast war noch weit weg.

Zudem gab es technische Probleme. Bei Wanderer Günther, der zum Sherpa ehrenhalber ernannt worden war, weil er einen zweiten Rucksack trug, um einen anderen Wanderer zu entlasten, schwächelte das Schuhwerk. Notreparaturen mit Klebeband, das der umsichtige Ortsvorsitzende im Gepäck mitführte, sorgten dafür, dass die Schuhe noch einige Kilometer hielten. Doch Guide Sven sprach ein Machtwort. „Du brauchst neue Schuhe!“ Also eilte ein Trio aus Günther, Holger und Bent talwärts ins nächste Dorf, um noch vor Ladenschluss Ersatz zu beschaffen. Das gelang auch.

Gleichzeitig hatte Guide Sven beschlossen, die Tour abzukürzen. Auch der Rest der Gruppe ging talwärts – man sagt, es waren 1600 Höhenmeter am Stück – um in Colfosco den Bus hinauf aufs Grödnerjoch zu nehmen, wo das Tagesziel lag.

An diesem zweiten Tag hatte sich auch gezeigt, dass es gewisse Leistungsunterschiede in der Bergtauglichkeit der Teilnehmer gab. Deshalb wurde die Gruppe für den dritten Tag aufgeteilt. Die „Erholungsgruppe“ fuhr mit Holger per Bus und Seilbahn über das Pordoj-Joch hinaus aufs Plateau des Sella-Stocks, alle anderen nahmen den geplanten Fußweg – und waren trotzdem so rechtzeitig an der Boe-Hütte, dass Sven mit einigen Unentwegten noch den kleinen Zusatztörn hinauf zur Boe-Spitze nahm. Die Sicht war eher unterdurchschnittlich, aber es war ein gutes Gefühl, immerhin einen Dreitausender erklommen zu haben. Die an eine Mondlandschaft erinnernde Steinwüste, in der nur wenige Pflanzen gedeihen, gehörte zu den nachhaltigsten Eindrücken dieser an Eindrücken reichen Tour. Einige Passagen erforderten erhöhte Trittsicherheit, einige ausgesetzte Stellen waren mit Drahtseilen versichert. Für ausreichend Abenteuergefühl war also gesorgt – zumindest für alpine Greenhorns, zu denen sich der Autor zählt.

Der vierte Tag führte die Flensburger Gruppe hinein in den alpinen Massentourismus. Nach einem recht anspruchsvollen Abstieg vom Sella-Plateau durch eine ziemlich steile, lange Scharte hinunter zum Pordoj-Joch ging es auf der anderen Seite wieder hinauf und dann den sehr stark benutzten – weil einfach zu gehenden – Bindelweg entlang zur komplett überfüllten Hütte Viel del Plan. Von hier hatte man wunderbare Ausblicke auf die Marmolata (italienisch Marmolada, ladinisch Marmoleda) und ihre Gletscher bzw. das, was von ihnen noch übrig ist. Etwas später folgte der erneut anspruchsvolle Abstieg zum Stausee Fedaia, von wo aus man den Bus nach Penia nahm. Der von Guide Sven als „lockerer Spaziergang durch den Wald“ apostrophierte Aufstieg zur Contrin-Hütte erwies sich als knackiges, zweistündiges Teilstück, das ausschließlich bergauf führte, davon den letzten Kilometer in strömendem Regen mit Gewitter.

Zum Glück gab es in der Contrin-Hütte warme Duschen und moderne Sechser-Buden. Da der Trockenraum im Keller nur über den Hof zu erreichen war, kam es zu spektakulären Begegnungen zwischen halbnackten Wanderern und zivilisierten Gästen der Gaststube. Am kommenden Morgen erklomm die Gruppe minus zwei – eine am Steißbein lädierte Wanderin und ein Magen-Darm-Kranker nahmen den Abstieg und den Bus – direkt hinter der Hütte eine steile, ausgedehnte Scharte und bestellte sich später ein Großraumtaxi für die letzten Kilometer auf der Straße.

Ab jetzt wurde wieder in Hotelbetten genächtigt. Im fast schon kitschig schönen „La Montanara“ in Sottoguda genoss man ein wunderbares 5-Gänge-Menü nebst korrespondierenden Weinen oder Bieren. Der letzte Tag sollte es noch einmal in sich haben. Die eigentlich geplante Route entlang des Flusses Cordevole war bei einem Hochwasser einige Monate zuvor komplett weggespült worden. Alternative: Zu Fuß auf einem nagelneuen Radweg komplett ohne alpine Herausforderungen. Diese Option wählte das Gros der Gruppe nach den Anstrengungen der letzten Tage. Doch der unentwegte Guide Sven bot an, eine Route über die Berge zu finden; er glaubte, auf seinen Smartphone-Karten Wege gesehen zu haben. Fünf waren bereit, mit ihm diese Pfadfinder-Tour zu machen, von denen aber schon eine nach fünf Minuten den geordneten Rückzug antrat. „Die sind mir zu schnell“, sagte sie.

Die Hauptgruppe hatte einen gemächlichen Spaziergang ohne Gepäck mit Blick auf die Civetta und Cappuccino-Pause am Stausee. Früh war man im Hotel in Sala – doch wo waren die Wanderer? Sie mussten sich tatsächlich durchs Unterholz schlagen, waghalsig eine begehbare Strecke an einem Bach über Stock und Stein suchen, steile Passagen meistern und extrem steile Abstiege durch meterhohes Gras bewältigen. Ein erfahrener Bergwanderer sprach von „dem schwersten Teilstück, das ich je gegangen bin“. Ein stets unentwegter 76-Jähriger hingegen meinte mit einem breiten Grinsen: „Das war ein richtig schöner Tag heute!“

Nach einem erneut sehr leckeren Abschiedsessen hieß es am nächsten Morgen Abschied nehmen von den Dolomiten. Bei der zweistündigen Fahrt mit dem Kleinbus bekam man noch einmal viele schöne Eindrücke von dieser wunderschönen Bergwelt, die jedoch nicht zu vergleichen sind mit dem direkten Erlebnis bei einer Wanderung auf 3000 Meter Höhe – wie an den Tagen zuvor.

Und obwohl man für An- und Abreise die Deutsche Bahn gewählt hatte, gab es weder Verzögerungen noch Verspätungen, dafür aber das geliebte alkoholfreie Hefeweizen. Großer Dank gebührt dem örtlichen Organisator der Tour, dem DAV-Sektionsvorsitzenden Holger Heitmann, der auch täglich eine wichtige Ergänzung und hin und wieder ein Korrektiv zu dem recht enthusiastischen Guide Sven war, der ebenfalls einen hervorragenden Job machte und stets ein umsichtiger, kenntnisreicher Guide war.