Pfunderer Höhenweg – kann man machen … ?

In den Pfunderer Bergen gibt es zwischen Sterzing und Bruneck einen Etappenwanderweg, der besonderen Art. Der Weg führt überwiegend durch alpines Gelände. In fünf bis sechs Etappen gilt es insgesamt 73 Kilometer ca. mit 6.000 hm zu überwinden. Die Gehzeiten je Tag werden in der Führerliteratur zwischen sechs und achteinhalb Stunden angegeben. Es sind, ohne die Extragipfel täglich zum Teil mehrere Passhöhen bis zu einer Höhe von 2.800 m zu überwinden. Wer die Gipfelabstecher mitnehmen möchte, kann dabei Höhen von bis zu 3.132 m erklimmen. Eine Beschreibung des Weges findet man u. a. im Rother-Wanderführer. Soweit zur Theorie.

Kai Vermehren


Im Sommer 2021 haben wir die Praxis kennengelernt: Von Sterzing (948 m) kommend führt der Weg gut markiert zur Semilie Mahdalm. Anfangs spendet der Wald Schatten, so dass der Aufstieg zum Jägerjöchl (2.136 m) nicht zu schwerfällt. Das letzte Viertel der Etappe führt dann über baumloses Almgelände und der Weg wird zunehmend ausgesetzter. Die Semilie Mahdalm bietet dann am Abend gutes Essen und sowohl Betten im Mehrbettzimmer als auch im Lager.


Auf dem Weg von der Semilie Mahdalm zur Brixener Hütte ist das Rautaljoch (2.808 m) zu überwinden. Dort ist die beste Möglichkeit für einen Abstecher zur Wilden Kreuzspitze. Die Brixener Hütte (2.307 m) bietet zwei Lager mit jeweils ca. 20 Schlafmöglichkeiten. Das Hüttenteam ist jung und sehr engagiert.


Von der Brixener Hütte zur Edelrauthütte sind drei Scharten und einige sehr schnell fließende Bergbäche ohne Steg zu überwinden. Die Etappe ist sehr lang und mehr oder weniger gut markiert. Sie führt fast nur durch wegloses Gelände. An der Gaisscharte (2.760 m) ist eine ca. 40 m hohe Kletterstelle mit nur wenigen Sicherungsmöglichkeiten abzuklettern.


Die Edelrauthütte (2.545 m) ist eine neue, moderne und sehr komfortable Hütte in einer spektakulären Lage. Die Preise dort sind zwar angemessen, liegen jedoch deutlich über dem gewohnten Niveau.


Der Weg von der Edelrauthütte zur Tiefrastenhütte führt meistens über sonnige, steile Almhänge. Der Aufstieg zur Hochsägescharte (2.705 m) ist lang und wird zum Ende hin steiler. Vor dieser Scharte mussten wir die Wanderung aufgrund der Schneelage abbrechen. Beim Abstieg ins Tal mussten dann ca. 1.700 hm überwunden werden.

Welche Eindrücke bleiben erhalten? Außerhalb der WLAN-Reichweite der Hütten ist so gut wie kein Mobilnetz vorhanden. Es wird damit fast unmöglich, bei Bedarf einen Notruf an der Unfallstelle abzusetzen. Die Hüttenwirte sind gut untereinander vernetzt und erwarten die Wandernden abends. Die Bergrettung kann somit erst nach einer Übernachtung erwartet werden.
Der Weg ist manchmal spärlich markiert. Ohne gute Karte und GPS-Gerät sind Verhauer kaum vermeidbar. Auf den Nordhängen ist auch im Sommer mit viel Schnee auf steilen Hängen und hohen Wechten in den Scharten zu rechnen.
Beschädigungen des Weges werden nicht zeitnah beseitigt. Das bedeutet, dass die Wandernden dazu in der Lage sein müssen, eine Umgehungsroute im weglosen, absturzgefährdeten Gelände eigenständig zu finden und zu bewältigen.

Wer die Einsamkeit sucht, ist auf dem Pfunderer Höhenweg richtig. Aber die Wandernden sind dort konsequent auf sich allein gestellt. Wer die physischen und mentalen Anforderungen einer Wanderung mit vollgepacktem Rucksack im alpinen weglosen Gelände nicht bewältigen kann, sollte lieber ein anderes Ziel wählen. Die tatsächlichen Gehzeiten dauerten für uns bis zu 12 Stunden am Tag. Für die Tour ist die komplette einsatzbereite Bergwanderausrüstung erforderlich. Wer den dritten Grad nach 8 Stunden Wandern nicht sicher mit vollen Wanderrucksack klettern kann, sollte zusätzlich ausreichend Kletterausrüstung zum Sichern mitnehmen. Die vorhandenen Veröffentlichungen in der Führerliteratur und im Fernsehen spiegeln m. E. nicht die tatsächlichen Anforderungen an diese Tour wider.

Also: Pfunderer Höhenweg können die machen, die bereit und dazu in der Lage sind, eine Hüttentour im alpinen Gelände weit jenseits der Komfortzone zu machen.