DAV – Alpenverein Flensburg Schneeschuhwandern in den Brenner Bergen

Holger Heitmann: Sonntag, 30.01.2022
Alle sind pünktlich am Bahnhof in Flensburg. Verunsicherte Blicke wandern zu den rasend schnell dahinziehenden Wolken. Wir merken, die Sturmböen sind auch bei uns angekommen. Der Zug setzt sich genau zur geplanten Zeit in Bewegung. Doch kurz vor Rendsburg heißt es dann: „Leider liegt vor uns ein Baum auf den Schienen – Sie können nach Kiel fahren und versuchen, von dort nach Neumünster zu kommen!“ „Der Schienenersatzverkehrbus fährt gleich dort hinten ab.“ Wir also „dort hinten“ hin – und kein Bus ist da!
Es stürmt, und eine Teilnehmerin versucht, sich vor den Böen zu schützen und drängt sich eng an eine Häuserwand. Plötzlich ein lautes „Gepladder“ wie von einem Sturzregen. Eine Taube hat ihre Speisereste auf die natürliche Art über unserer Mitwanderin ausgeschüttet, alles ist „besch…..“ Manche versuchen hektisch mit Papiertüchern den Dreck von der Jacke und dem Rucksack zu entfernen.
Wir beschließen mit zwei Großraumtaxis nach Hamburg zu fahren, um unseren dort stehenden ICE zu erreichen. Nach einer Fahrt durch die Hamburger Innenstadt, mit Stopp an (gefühlt) jeder Ampel, erreichen wir den Hauptbahnhof drei Minuten vor Abfahrt des Zuges. Alle rennen die Treppen runter, stürzen in den nächsten Waggon. Unsere letzte Teilnehmerin wird noch fast in der sich schließenden Tür eingeklemmt, aber immerhin – Wir sind drin! Der Umstieg in Kassel klappt problemlos, und erst in Würzburg erreicht uns die Durchsage: „Die Weiterfahrt verzögert sich auf unbe­stimmte Zeit wegen technischer Probleme“. Nach 50 Minuten setzt sich der Zug wieder in Bewegung. Damit ist natürlich auch der Anschluss in München weg, aber dafür haben wir entspannte 90 Minuten Zeit, bayowarisch Abendbrot zu essen.
20:15 Uhr erreichen wir Gries vor dem Bren­ner, wo uns der Hotelbus abholen soll. Es gab „leichte Kommunikations­probleme“, und die jungen Fahrer sind erstmal zum Bren­ner gefahren, kamen deshalb nach 35 Minuten, die wir frierend auf dem Bahn­steig standen, bei uns an. Es war inzwischen 21 Uhr, aber in  Almi’s Berghotel wurden wir freundlich empfangen und erhielten noch unser 3-Gänge-Menü.

Helge Kuhn: Montag, 31.01.2022
Wir starten nach dem ausgiebigen Früh­stück und einem sonnigen kalten Morgen mit der Vergabe der Ausrüstung: Schneeschuhe, Stöcke, Lawinenschaufel, Lawinensonde, Lawinensuchgerät, Schuhspikes. „Kruzzifix, wie noch die Sachen in meinem voll­ge­stopften Rucksack bekommen?  Platz ist noch im oder am kleinsten Rucksack!“
Von unserem Hotel aus geht es los auf den Obernberg-See auf 1600 Meter. Nach etwa einem Kilometer Wandern wird unser Lawinensuchgerät von unserem Guide Aldo überprüft, ob es eingeschaltet ist bzw. das lebenswichtige Signal sendet. Die Schneeschuhe werden angezogen. We­gen einer starken Steigung kommt de­ren ausklappbare Steighilfe zum Ein­satz, die darunter befindlichen Krallen geben uns auch bei vereisten Stellen si­cheren Halt. Unser Guide gibt uns wäh­rend der Tour praktische Information über Aus­rüstung sowie Verhalten im Schnee.
Oben am See angekommen, genießen wir den Blick auf den zugefrorenen und mit Schnee bedeckten See. Nun haben wir auch als Gruppe unseren Rhythmus ge­fun­den, wir durchqueren  den  Tannen­wald im tiefen Schnee. Es schneit, was für ein Erlebnis, was willst du mehr. Nach der Umrundung des Sees machen wir eine Brotzeit und sind hin und weg von der schönen Winterlandschaft.
Nach dem Abstieg runden die Sauna und das herzhafte und leckere Abendessen den schönen Tag ab. Mit Aldos Führung und seiner vom Fach beherrschenden Gelas­senheit haben wir heute  260 hm mit einer Strecke von 9 km gemacht.

Anke Hinrichsen: Dienstag 01.02.2022
Der erste Blick aus dem Fenster am Mor­gen zeigt uns, dass es in der Nacht reich­lich Neu­schnee gab (ca. 40 cm). Wir Nord­­deutschen würden sagen „Dat Fückt“. Schnee­­flocken fliegen seitwärts. Beim Früh­stück bekommen wir dann die Bestätigung: Lawinenwarnstufe von 1 auf 4 von 5. Für uns hört es sich gar nicht gut an und Aldo ent­wickelt daraufhin Plan B. Nach dem Früh­stück gibt es zu­nächst in der Theorie eine Einführung in die Lawinen­rettung. Dann mummeln wir uns warm ein, schnallen die Schnee­schuhe an und üben mit den Lawinen­suchgeräten auf der Wiese neben dem Hotel. Die Such­geräte sind super und die Handhabung ist quasi selbsterklärend, denn man folgt der Anweisung des Ge­rätes in einem bestimmten Muster.

Danach machen wir uns auf den Weg. Durch das Fradertal soll es bis zur Kofleralm gehen und auf dem gleichen Weg zurück. Die Strecke ist nicht lawi­nengefährdet und liegt durch den engen Einschnitt zwischen zwei Berg­hängen auch windgeschützt. Es geht durch Obern­berg in Richtung Süden bis zum Koflerhof. Hier verlassen wir die Straße und folgen dem Forstweg links entlang des Frader Baches. Aldos Tempo ist unserer Kondition angepasst, stetig geht es bergan. Wildromantisch plätschert der Bach, der Schnee fällt leise und der Wind ist kaum zu spüren. Es ist ein Winter­zaubertag, so kitschig schön. Heute Morgen hätte man sich bei dem Wetter norma­ler­weise nicht vor die Tür gewagt. Nun genießen wir die Natur, den Schnee und die Schnee­skulpturen, die der Wind gezeichnet hat. Nach ca. 3 km erreichen wir die Fraderalm. Im Tiefschnee ziehen wir unsere eigene Spur, das macht Spaß und wir bekommen allmählich ein Gefühl für die Schneeschuhe. Wer hinfällt, der fällt weich, kommt jedoch alleine nicht wieder auf die Füße.
Nach einer Brotzeitpause vor der Alm geht es auf dem gleichen Weg zurück. Es ist ganz still geworden. Jeder genießt die Ruhe, Schneeschuhwandern fernab hat etwas Meditatives. Am frühen Nachmittag sind wir zurück. Genug Zeit für Kaffee und Kuchen und den schönen Wellnessbereich im Hotel.

Margit Grumm: Mittwoch 02.02.2022
Für das Obernbergtal gilt heute die Lawinenwarnstufe 4. Daher wählen wir einen lawinen­sicheren Weg. Um ca. 09:00 Uhr starten wir unsere Wanderung zur Steineralm auf 1737 Meter. Der Weg führt uns zunächst am Bach entlang und dann durch ein Waldgebiet über einen Wirtschafts­weg zum Obernbergsee, 1594 Me­ter. Bis hierhin war der Weg be­schwerlich, da noch keine Spuren im Schnee waren. Wir machen eine Trink- und Essenspause, um uns zu stärken.
Weiter gehen wir am schön ver­eis­ten See entlang und machen einen kleinen Abstecher zur kleinen Kapel­le Maria am See, die über eine Brücke zu erreichen ist. Nach der Besichtigung geht es weiter durch einen Wald bergan Richtung Stei­ner­alm. Diese schöne Alm wird im Sommerhalbjahr durch den Sohn unseres Hotelwirtes bewirtschaftet. Da der Wind uns den Schnee so stark um die Ohren weht, machen wir nur eine kurze Pause und wan­dern den Weg wieder zurück. Unten angekommen wollen wir noch in ei­nen Gasthof einkehren, der jedoch leider wegen schlechten Wetters ge­schlossen hat. Also geht es weiter heim­wärts. Uns steht noch ein Weg von einer halben Stunde mit Ge­gen­wind bevor. Wir haben Glück, dass am Talende gerade der Linienbus steht. Die Mehrzahl unserer Gruppe steigt in den Bus. Winkend fahren wir an den anderen vorbei. Nach ca. sechs Stunden und ca. 340 Metern hoch und wieder runter treffen wir gut gelaunt und müde im Hotel ein.

Iveta Jürgensen: Donnerstag, 03.02.2022
Schon am Vorabend merkt man eine leichte Nervosität. Es steht ein Aufstieg zum Sattelberg auf 2100 m Höhe bevor. Um 08:10 Uhr fahren wir mit dem Bus vom Hotel nach Sprenger. Ab da geht es mit den Schneeschuhen bergauf. Der Himmel ist bedeckt, aber man ahnt die Sonne hinter dem „Grau“. Stück für Stück schaut sie immer mutiger zwischen den schneebedeckten Tannen durch und lässt alles funkeln. Etwa um 10:30 Uhr erreichen wir die Sattelbergalm. Rosi und Anke beschließen, in der Einkehrstation zu bleiben und auf die Rückkehr der Gipfelstürmer zu warten. Aldo, Holger, Ägidius, Margit, Lotti, Helge und ich erreichen nach einem Tief­schneeaufstieg um 13:00 Uhr die Spitze des Sattelbergs. Unsere Anstrengungen werden mit einem bombastischen Panorama belohnt, kurz sind wir auch in Italien.
Der Abstieg ist steil, schneereich und auch anstrengend. Aldo und Holger müssen Lotti mehrmals aus dem Tiefschnee retten. Um 14:10 Uhr kann uns das „Empfangs­team“ (Anke und Rosi) an der Zwischenstation begrüßen. Wir brauchen eine Stär­kung. Im Lokal erfahren wir über die Möglichkeit, unsere letzte Rücketappe auf Schlitten zu bewältigen. Das ist das „Krönchen“ für einen anstrengenden und sehr bezaubernden Tag. Um ca. 17:00 Uhr bringt uns der Bus zum Hotel zurück. An diesem Tag haben wir 10 km Strecke zurückgelegt und 900 Höhenmeter geschafft.

Anke Hinrichsen: Samstag 05.02.2022 – Heimreise
Nach dem Frühstück und vielen Umarmungen, schließlich bleiben Barbara, Holger und Aldo zurück, fahren wir mit den Hotelbussen nach Brenner (oder Brennero) zum Bahnhof. Nach kurzer Orientierung steigen wir in die S-Bahn nach Innsbruck und dort in den Nahverkehr nach München. Die Bahn ist sehr gut ausgebucht und jeder von uns hat eigene reservierte Plätze im Zug verteilt. Anders als auf der Hinreise läuft alles nach Plan, und wir können den ICE in München locker erreichen. Und wie es bei Heimreisen so ist, ist es wirklich eine lange Fahrt nach Hause.
Eine schöne Reise mit großartigen Reisegefährten liegt hinter uns. Alle freuen sich aufs nächste Abendteuer, unser Dank gilt Holger und Aldo.

Holger Heitmann
Helge Kuhn
Anke Hinrichsen
Margit Grumm
Iveta Jürgensen