DAV – Alpenverein Flensburg Exkursion nach Oberhausen

Als „Wandern im Pott“ hatte Tourleiter Joachim Pohl locker eine dreitägige Kultur-Exkursion im Mai 2022 angekündigt – und ein Dutzend Mitglieder der DAV-Sektion Flensburg hatten  dort eine gute Zeit in bemerkenswert angenehmer Gruppenharmonie! In Oberhausen und Essen erlebten sie beispielhaft, dass vom früheren Negativ-Image des „Potts“ nur wenig noch zu spüren war. Das Ruhrgebiet, aufgrund seiner Bodenschätze historisch geprägt von Kohleförderung und Eisen- und Stahlproduktion, trug in der Nachkriegszeit maßgeblich zum ‚Wirtschaftswunder‘ der Bundesrepublik bei – mit vielfältigen erschreckenden Folgen für die Umwelt!

Rainer Fischer

Ein Relikt dieser Vergangenheit ist das Industriedenkmal Gasometer in Oberhausen, heute Europas höchstes Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude. Eines der Exkursionsziele war die dortige fabelhafte Ausstellung DAS ZERBRECHLICHE PARADIES. Zuvor erklomm die Gruppe das 117 Meter hohe Dach des Gasometers, teils per Fahrstuhl, teils über die luftige Außentreppe. Belohnung war ein Panorama-Rundblick über einen Teil des Ruhrgebiets bis hin zur Schalke-Arena.

Perfekt passend zur früheren Umweltproblematik des Ruhrgebiets wurden in der Ausstellung die Schönheit der Natur und der Einfluss des Menschen auf seine Umwelt thematisiert. Starke Fotos und Videos zeigten, wie wir Menschen mit der Tier- und Pflanzenwelt und unserem Planeten als Lebensgrundlage – man kann es nicht anders sagen – extrem schlecht umgehen. Die gerade begonnene CO2-Initiative des DAV ist also mehr als begründet. Ein besonderes Erlebnis war zudem eine projizierte Erdkugel im Inneren des 100 Meter hohen freien Gasometer-Raums über dem 1200 Tonnen schweren ‚Deckel‘ (der früher den Gasdruck erzeugte): Komfortabel auf Sitzsäcken liegend konnte man die erdgeschichtliche Entwicklung im Zeitraffer nachverfolgen. Abgeschlossen mit der erschreckenden Darstellung des heutigen Flugverkehrs aus Satellitensicht – für umweltbewusste DAVler mit schlechtem Gewissen inklusive …

War der Gasometer-Besuch einer der Höhepunkte der Exkursion, stellte der Gang ins benachbarte CentrO einen ziemlichen Kontrast dazu dar: Mit über 250 Geschäften, 125.000 Quadratmetern Verkaufsfläche und jährlichen 25 Millionen Besuchern ist das riesige Einkaufszentrum jedoch ein weiterer Beleg für den Strukturwandel der früheren Montanregion in eine für Dienstleistung und Tourismus.

Wie bei den Flensburger Kulturexkursionen üblich wurde in Oberhausen in überschaubarem Rahmen auch gewandert. Entlang des Rhein-Herne-Kanals und über weiteres Grün kamen dabei weitere kulturelle Ereignisse in Sicht: Zum einen der wohl meistfotografierte „Zauberlehrling“, ein von Überlandleitungen her vertrauter Gittermast, der mit seinen geschwungenen Bauteilen wie leicht ‚angeschmolzen‘ wirkt, landläufig als ‚tanzender Strommast‘ interpretiert wird. 

Optisch genau so beeindruckend im Oberhausener Kaisergarten eine 406 Meter lange Brückenskulptur aus 496 Alu-Spiralen, die dem Spielzeug der bekannten ‚laufenden Feder‘  nachempfunden ist und daher den Namen „Slinky Springs to Fame“ trägt (slinky = geschmeidig). Der vom Tourleiter kurzfristig angeregte Besuch einer Galerie im Schloss gestaltete sich ebenfalls erfreulich – zahlreiche Musikerportraits der bekannten Fotografin Linda McCartney im Original aus den 60er Jahren riefen vielfältige Erinnerungen an die Frühzeit der Popkultur wach.

Abschließendes zentrales Exkursionsziel waren das UNESCO-Welterbe Zeche und Kokerei Zollverein in Essen. Dabei handelt es sich um die ehemals größte Zeche Europas, in der aus bis zu 1000 Metern Tiefe Kohle gefördert wurde, sowie die angegliederte größte Kokerei. 1986 kam der letzte Block Steinkohle zu Tage. Seitdem entwickelt sich das geschützte Industriedenkmal zusehends zu einem Zentrum unterschiedlichster kultureller Richtungen, ein Ende ist noch nicht abzusehen. Wahrzeichen ist das 55 Meter hohe ‚Doppelbock‘-Fördergerüst.

Die zwölf Flensburger DAVler näherten sich der Geschichte des Welterbes in zwei angemeldeten Führungen: Eine Gruppe verfolgte an alten Anlagen den Prozess, wie die Steinkohle für die Stahlerzeugung „verkokst“ wurde. Die zweite Gruppe lernte auf dem Weg von der Schachthalle, in der früher die Kohle ankam, durch die Wipperhalle, Sieberei und Werkstätten konkrete Details zu den Arbeits- und Lebensbedingungen der Zollverein-Bergleute kennen.

Die Begehung der weitläufigen Anlage vermittelte zudem weitere reizvolle technische Impressionen aus der Zeit spätindustrieller Montanindustrie. Verbunden mit Einblicken in Architektur, Natur und den Wandel des Zollvereins vom Bergwerk zum modernen Kulturstandort.

Fazit: Alle Teilnehmer waren von den vielschichtigen Erfahrungen dieser Kulturexkursion nachhaltig beeindruckt. Weil es noch so viel mehr zu entdecken gibt, bedauerten alle deren relative Kürze und wünschten sich mehr – auf einer neuen Wanderung für Kulturfans im „Pott“!