Kulturfahrt: Museum für Tuch und Technik in Neumünster am 10.03.2022

Fahrt mit der Deutschen Bahn: Wegen Signalstörung Ankunft mit 15 Minuten Verspätung.

Die Gegend um Neumünster ist seit 8000 Jahren besiedelt. Die umgebende Natur diente der Selbstversorgung: Wolle von Schafen, Pflanzenfasern von Brennnesseln, Hanf von Bäumen. Mit dem Knüpfen von Schnüren und Fischernetzen begann die Verarbeitung. Seit der späten Jungsteinzeit um 3000 v. Chr. webten die Menschen Stoffe. Bei archäologischen Grabungen fanden sich in Baumsärgen Reste von Umhängen und Kopfbedeckungen. Um Chr. Geburt fanden sich schon feingewebte, gefärbte Stoffe mit Mustern. Reste, offenbar des ersten Webstuhls, eines  Gewichts-Webstuhls, ein schräg an die Wand gestellter Holzrahmen, in dem die oben aufgehängten Kettfäden von Gewichten aus getrocknetem Lehm beschwert wurden. Das Schiffchen mit dem quer verlaufenden Faden war der Schuss. Jeder zweite Kettfaden wechselte nach dem Schuss die Position. Diese Technik des Fadenverwebens ist bis in modernste Zeiten erhalten geblieben!

Die Geschichte Neumünsters begann mit der Gründung des Augustiner Chorherrenstifts (Novum Monasterium) 1127 durch den Missionar Vicelin. Zur Versorgung der 20 Chorherren siedelten Bauern um einen ovalen Platz, den Anger (heutiger Kleinflecken). Das Flüsschen Schwale, zum Teich aufgestaut, betrieb eine Kornmühle. Vicelin missionierte von hieraus die slavische Bevölkerung Ostholsteins. Wegen zu regen profanen Treibens in Neumünster wichen die Chorherren 1332 nach Bordesholm aus. 1383 findet Neumünster erstmals Erwähnung als Handelsplatz für die Regionalversorgung. Fernhandel war nur Lübeck, Hamburg und Kiel gestattet.

Systematik der Tuchherstellung (aus Wolle): Beginn im Frühjahr mit der Schafschur. Die Wolle wird dem Schaf als zusammenhängendes Vlies abgenommen. Die verschmutzten, kurzfaserigen Wollanteile von Bauch und Beinen werden von den langfaserigen, also wertvolleren Teilen von Hals, Schulter und Seitenbereichen getrennt gewaschen. Wollschläger klopfen vorher Ästchen, Gräser, Insekten und Steinchen mit der Hand aus. Nach dem Waschen wird die Wolle für eine bessere Geschmeidigkeit mit Fett besprengt. Die Wollfasern müssen nach dem Trocknen in eine Richtung gekämmt werden mit den sog. Karden, zwei Bürsten, die mit Drahtnadeln besetzt sind. Eine Verbesserung war der feststehende Kratzbock, damit ist eine Hand frei. So wird die Wolle gelockert. Es ist die Arbeit von Frauen und Kindern. Die gekämmte, gezogene Wolle wird als Faden versponnen und auf eine Spindel gewickelt. Arbeitserleichterung und um 50 % Erhöhung der Arbeitsproduktivität wurde mit fußbetriebenem Spinnrad erreicht. Die Fadenstärke wird mit den Fingern reguliert und von ihr hängt die Eigenschaft der Textilien ab. Die Fadenfeinheit bestimmte den Preis.

Spinnen war ein lohnender Nebenerwerb und Jahrhunderte Frauenarbeit. Aus den flandrischen Regionen setzten sich im 13 Jh. Spinnrad und Trittwebstuhl durch, die erste Mechanisierung. Die Hände wurden für die beidseitige Schiffchenbedienung frei. Vorbereitende Arbeiten für das Weben benötigten 50 % der Arbeitszeit. Weberei war ein Handwerk mit vielen Berufszweigen. Tuch wurde also arbeitsteilig hergestellt. Die Weber webten mit Familien und Gesellen in der Umgebung. Färben, Walken, Rauen und Scheren wurde außerhalb Neumünsters von Fachleuten betrieben. Walken erfolgt mit Druck, Reibung, Wärme, Wasser, gefaultem Urin, Seife und Walkerde. Dabei werden Fransen verfilzt; der Stoff wird dicker, geschmeidiger und strapa­zierfähiger und verliert ein Drittel der Tuchfläche. Tuchscherer rauen die Stoffe mit Distelkarden auf. Auf dem Schertisch werden überstehende Fransen abgeschnitten. Mangeln gibt Glanz und Bürsten den Strich. Weben war Jahrhunderte Männerarbeit. Tuch wurde aus Wolle hergestellt und zwar auf eigene Rechnung der Tuchmacher. Leinenweberei wurde im Auftrag von Kunden betrieben.

1668 förderte Herzog von Gottorf-Holstein Tuchmacher und Leineweber durch Zollfreiheit für Rohstoffeinfuhren sowie für die Ausfuhr von Fertigprodukten nach Hamburg; ab 1673 auch nach Lübeck. Durch den dänischen Gesamtstaat verbesserte sich die Förderung ab 1774 nochmals. Seit 1765 hatten die Tuchmacher in Neumünster ihren Sitz „Am Kleinflecken«. Ab 1864 lebten in Neumünster ca. 8000 Menschen, von denen etwa 500 in der Textilindustrie arbeiteten. 1991 schloss die letzte Tuchfabrik in Neumünster. High-Tech-Stoffe oder Chemiefasern werden von Großindustrien in Süddeutschland und im Ausland produziert. Textilherstellung wurde Vorreiter der industriellen Revolution, ausgehend von England und Flandern. Holz wurde durch Eisenguss ersetzt, so entstanden die Dampfmaschine sowie die Zahnräder.

Ein besonderes Beispiel des frühen Fortschritts war u. a. der Zampelwebstuhl, mit dem auch runde Muster gewebt werden konnten, er löste die langsamere Bildwirkerei ab. An diesem Webstuhl hat man eine seitlich aufgehängte Kettfädengruppe (sog. Latzen), für deren Bedienung eine zweite Arbeitskraft, der Ziehjunge, gebraucht wird. Am Ende des 19. Jh. wurden Muster am Webstuhl bereits mit Lochkarten (Vorläufer des Computers) eingerichtet. Nach allmählichem Fortschritt nahm die Entwicklung der Maschinen Tempo auf und präsentierten sich in vielfacher Prägung, wie wir sie im Museum bewundern konnten.

Als Letztes noch ein Wort zu den wichtigsten Farbstoffen und deren Hilfsstoffe: Reseda für Rottöne, Waid für Blautöne, ebenso Indigo aus Indien, Färberdiestel für gelbrot-Töne. Vor dem Färben werden die Fasern mit Alaun-Salz gebeizt. Pottasche dient den Farbstoffen als Lösungsmittel. Die Menge der dargebotenen Theorie über die Tuchherstellung war kaum zu fassen.

Entspannung bot ein sonnig-warmer Spaziergang durch das Städtchen und Einkehr in einem gemütlichen Café.

Nach dem langen Tag hatten wir uns die geplante Heimfahrt um 16:30 Uhr verdient, doch es wurde eine Fahrt mit Hindernissen, sprich Schienenersatzverkehr, der den Ausflug deutlich verlängerte!

Elisabeth Rohde