Rheinsteig 1. Teil

17.09. – 25.09.2012
Der Rheinsteig von Koblenz bis Rüdesheim

Rosi Gerlich:

In diesem Jahr stand der dritte „Top Trail of Germany“ auf dem Wanderreiseprogramm. Auf meinem Spätsommerurlaub begleiteten mich elf Wanderfreunde aus unserer Sektion. Gemeinsam erwanderten wir 120 km in sechs Tagesetappen und bewältigten dabei etwa 3.500 Höhenmeter. Die Hin- und Rückreise fand wieder entspannt mit der Bahn statt.

Am Montag, dem 17.09.2012, dem Anreisetag, erwartete uns in Koblenz nach dem Hotelbezug ein Bummel am Rhein entlang zunächst zum Deutschen Eck, wo die Mosel in den Rhein fließt, bewacht durch ein monumentales Reiterstandbild des Deutschen Kaisers Wilhelm I., gefolgt durch eine gemütliche Einkehr am Münzplatz.

Die Rheinsteig-Teilnehmer Anne Dümke, Elisabeth Rohde, Jutta Mairose, Rosi Gerlich, Jutta Erichsen, Klaus Groos, Heike Christiansen, Palle Grønlund, Peter Erichsen, Helga Grube, Johanna Donicht und Lorenz Matzen vor dem Koblenzer Schloss

Dienstag, 18.09.2012: Unser erster Wandertag führte uns von Koblenz über den Rhein durch das idyllische Bienhorntal, dann folgte ein langer Anstieg auf den Lichten Kopf und wieder runter durch die Ruppertsklamm zur Lahn. Nach einer Einkehr ging es wieder kräftig aufwärts zu den Lahnhöhen und wieder hinunter ins Schlierbachtal, um dann wieder aufzusteigen auf die Kerkerser Platte. Mit herrlichem Blick auf den Rhein und die Marksburg ging es nun wieder bergab, wo nach 21 km das Etappenziel in Braubach erreicht wurde.

Am Mittwoch, 19.09.2012, ging es zunächst auf die Marksburg, dann wieder hinunter, um sogleich wieder steil auf dem Zecherpfad auf die Rheinhöhen zu gelangen. Zunächst durch Wald in das Dinkelholder Tal ging es sanft hinab nach Filsen und dann wieder steil hoch mit herrlichen Aussichten und schließlich wieder bergab nach Kamp-Bornhofen. Das heutige Etappenziel war nach 22 km im Gartenhotel Schreiner erreicht, das durch seinen singenden Wirt auch viele prominente Gäste beherbergt. In Bornhofen befindet sich ein Marienwallfahrtskloster, zu deren Gnadenbild der Gottesmutter seit dem Mittelalter Schiffsprozessionen stattfinden.

Herrlicher Ausblick auf den Rhein mit dem Naturschutzgebiet „Das enge Thürchen“ und Spay

Donnerstag, 20.09.2012: Auf der dritten Wanderetappe erwarteten uns neben 20 km zunächst die „feindlichen Brüder“, die beiden Burgen Sterrenberg und Liebenstein, und schließlich die Hindenburghöhe. Nach der Höhe ging es wieder abwärts in Richtung Kestert, dann wieder hinauf bis zur Pulsbachklamm und wieder hinunter nach Wellmich, um sogleich wieder Höhe zu gewinnen bis zur Burg Maus und noch höher mit einzigartigem Blick von den Rheinhöhen auf St. Goar und die Burg Rheinfels. Ein sehr steiler Abstieg führte schließlich nach St. Goarshausen, dem heutigen Etappenziel.

Die Burg „Maus“

Freitag, 21.09.2012: Da wir in St. Goarshausen zwei Übernachtungen hatten, absolvierten wir den vierten Wandertag in entgegengesetzter Richtung. Dazu fuhren wir mit der Bahn zum eigentlichen Etappenziel nach Kaub und wanderten die 21 km rheinabwärts zurück nach St. Goarshausen. Und wieder ging es bergauf zur „alten Burg“ und wieder bergab in das Urbachtal und wieder hoch zum Aussichtstempel Waldschule über den Bornichbach zum Fünf Seenplatz und schließlich zum Loreleyfelsen. Nach einer ausgiebigen Einkehr führte der weitere Weg zur Burg Katz und dann wieder steil hinunter nach St. Goarshausen.

Samstag, 22.09.2012: Am fünften Wandertag mussten wir zunächst zum Etappenstart nach Kaub fahren. Nachdem wir diese Strecke einmal mit der Bahn gefahren waren, nahmen wir heute das Schiff. Mit dem modernen yachtähnlichen „MS BUGA Koblenz“ der KD-Flotte bewunderten wir die Etappe des Vortages von Rheinseite aus mit Blick nach oben. Die kleine Loreley-Statue am Fuße des Felsens war kaum zu sehen, aber immerhin wurde auf dem Schiff Heinrich Heines Loreley-Hymne „Ich weiß nicht, was soll das bedeuten“ gespielt – superkitschig aber dennoch wunderschön! In Kaub angekommen, ging es zunächst steil aufwärts über Weinberge ins Volkenbachtal und ins Schenkenbachtal und in Serpentinen wieder hinab ins Niedertal und in den historischen Freistaat Flaschenhals. Wer sich für die interessante Geschichte des Freistaates interessiert, dem empfehle ich die Lektüre auf www.freistaat-flaschenhals.de. Unser Weg führte uns aus dem Wald wieder auf herrliche Aussichtspunkte zum Rhein und nach Bacharach, über Weinberge und der Burgruine Nollig hinunter nach Lorch, wo wir nach 16 km ankamen und den Abend in einem urgemütlichen Weinkeller verbrachten, wo ich (zu meinem Leidwesen am nächsten Tag) den köstlichen Getränken etwas zu sehr zugesprochen hatte.

Sonntag, 23.09.2012: Der sechste und letzte Wandertag führte uns schließlich über 18 km von Lorch nach Rüdesheim. Auch heute ging es steil bergan in die Weinberge mit Blick auf die Burgen Sooneck, Hoheneck, Reichenstein und Rheinstein sowie auf einen mächtigen Quarzit-Steinbruch. Immer wieder entfernten wir uns vom Rhein, um kleine Bäche zu umgehen, und immer wieder kam der Rhein in Sicht mit stets wunderschöner Aussicht, bis wir schließlich Assmannshausen erreichten. Hier spielte eine holländische Brass-Band flotte Musik, so dass wir eine Pause einlegten, bevor wir mit dem Sessellift ins Naturschutztgebiet Niederwald hinaufschwebten. Der letzte Abschnitt führte auf breitem Weg zunächst durch Wald vorbei an einem ehemaligen Jagdschloss mit schönen Aussichten, wie auf die gegenüber liegende Stadt Bingen mit ihrem Mäuseturm, die Nahemündung und die Burg Klopp. Bald war das Niederwalddenkmal oberhalb von Rüdesheim erreicht und somit das Ende unserer heutigen Etappe und gleichzeitig das Ende der Rheinsteig-Tour 2012.  Mit der Seilbahn fuhren wir hinunter nach Rüdesheim.

Das Niederwalddenkmal mit der 12,5 m hohen „Germania“ und der Inschrift:
„ZUM ANDENKEN AN DIE EINMUETHIGE SIEGREICHE ERHEBUNG DES DEUTSCHEN VOLKES UND AN DIE WIEDERAUFRICHTUNG DES DEUTSCHEN REICHES 1870 – 1871“

Am Montag, dem 24.09.2012, hatten wir einen Tag zur freien Verfügung in Rüdesheim, der von den Teilnehmern dieser Tour individuell genutzt wurde. Rüdesheim scheint nicht mehr das zu sein, was es einmal war. Wir hatten manches Mal das Gefühl, in Japan zu sein. Die Überzahl an japanischen Touristen war enorm. Ein historischer Weinkeller ist komplett in japanischer Hand, sämtliche Schilder und Etiketten, auch an Weinfässern und -flaschen, sind nur auf japanisch beschriftet – kurios! Selbstverständlich stand am Abend auch ein Bummel durch die Drosselgasse auf dem Programm.

Am Dienstag, 25.09.2012, mussten wir uns von Rüdesheim verabschieden. Bepackt mit unseren Koffern, die während der Tour immer von Hotel zu Hotel transportiert wurden, sowie mit Urkunden und Anstecknadeln, ging es mit der Bahn zunächst nach Frankfurt, von dort nach Hamburg, wo wir auf dem Hauptbahnhof noch Gerd und Kristina trafen, die auf dem Weg nach Nepal waren, und schließlich weiter nach Flensburg. Eine wunderschöne Wanderreise mit vielen neuen Eindrücken war nun endgültig zu Ende. Im Frühjahr 2013 wird sie eine Fortsetzung finden mit der zweiten Hälfte des Rheinsteigs von Koblenz nach Bonn.


Jutta Mairose:
Rüdesheim abseits der Drosselgasse

Auf unserer wundenschönen Rheinsteig-Tour sind wir am 24. September in Rüdesheim angekommen und hatten den letzten Tag zur freien Verfügung. Hier galt es natürlich als erstes die weltberühmte Drosselgasse zu erobern. Dann stelllten wir jedoch fest, dass Rüdesheim neben der Drosselgasse viel Interessantes zu bieten hat.

Unser Stadtrundgang führte uns in “Siegfrieds Mechanisches Musikkabinett”. Bei der Führung durch den Brömserhof mit einem Rittersaal aus dem 13. Jahrhundert lernten wir die Geschichte der Datenspeicher-Musikinstrumente aus drei Jahrhunderten kennen. Diese automatischen Instrumente waren u.a. die selbstspielenden Geigen, kleine Spieluhren und das tonnenschwere Puppen-Automaten-Orchestrion aus der Zeit von 1888 bis 1892 mit 27 Puppen, die eine Musikkapelle darstellen. Es war faszinierend mit anzusehen, wie mittels Orgelwalze, Kartonnoten und Notenrollen die Puppen zum Leben erwachten und die Tasten des Klaviers sich wie von Geisterhand bewegten.

Danach wanderten wir auf den Spuren der großen Universalgelehrten und Mystikerin des Mittelalters Hildegard von Bingen, die von 1098 bis 1179 lebte. Oberhalb von Rüdesheim liegt weithin sichtbar mitten in den Weinbergen die Abtei St. Hildegard. Das Kloster wurde von 1900 – 1904 im neo-romanischen Stil erbaut und wird von den Benediktinerinnen bewohnt, die in der Tradition der heiligen Hildegard leben. Der Klosterladen war leider geschlossen. Jedoch konnten wir die Abteikirche mit den herrlichen Fresken besichtigen.

Danach ging es in den Ortsteil Eibingen, wo sich auf den Fundamenten des ehemaligen, 1165 von Hildegard von Bingen gegründeten Klosters, die Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Hildegard befindet. Hier werden im goldenen Hildegardis-Schrein die Gebeine der Heiligen aufbewahrt.

Danach hatte uns die Gegenwart zurück und wir mussten dringend Kaffee trinken und den Rest des letzten Tages genießen.


Elisabeth Rohde:

Aktivitäten der DAV-Mitglieder müssen sich nicht prinzipiell auf alpinistische Unternehmungen beziehen. Die Betonung liegt auf Aktivität und das draußen in der Natur. Das Wandern auf dem 320 km langen, rechtsrheinisch verlaufenden Steig, zwischen Bonn und Wiesbaden, ist Genusswandern. Dabei denke ich nicht nur an die berühmten Rheinweine. Auf unserer einwöchigen Tour erschlossen wir uns den Bereich Oberes Mittelrheintal zwischen Koblenz und Rüdesheim/Bingen, das 2002 zum Unesco-Welterbe der Menschheit gekürt wurde. Nach Victor Hugo „Der berühmteste und am meisten bewunderte Teil des Flusses …“ Hier hat sich geologisch ein canyonartiges Engtal gebildet, das im nördlichen Teil von Schieferschichten und im südlichen von Quarzit begrenzt wird. Der Wanderweg wird stellenweise durch anspruchsvolle, seilversicherte Kraxeleien gewürzt. Das manchmal, mit bis 1000 Höhenmeter zu bewältigende Tageswanderpensum erweckt den Eindruck, dass man in Täler mit den berühmten Weinorten hinab steigt, aber nicht so sehr Berggipfel erklimmt. Die Mühen werden immer wieder mit herrlichen Ausblicken auf den abwechslungsreichen Verlauf des Rheins mit den zahlreichen Burgen an den Berghängen belohnt. Auf den 65 km findet sich die weltweit einmalige Dichte von 40 Burgen, Schlössern und Festungen, die die Moderne vergessen lassen – das aber nur, wenn nicht gerade in der Tiefe am Rheinufer ein IC oder Güterzug entlang donnert! Die liebliche Rheinlandschaft lässt an die Lieder und Sagen der Romantiker, wie Clemens v. Brentano: “Zu Bacharach am Rheine“ oder Heinrich Heine: “Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ (Loreley) erinnern. Wir genossen die in das weiche Licht der Septembersonne getauchte Landschaft und die spätsommerliche Wärme des milden Klimas.

Der Verlauf des Wanderweges wechselte zwischen Rheinblicken, lichten Laubwäldern, Rebflächen oder von Feldern und Wiesen dominierten Plateaus.

Gute Beschilderung mit gekennzeichneten Haupt- und Zuwegen ließen nie Zweifel bei der Orientierung aufkommen. Zum Nachdenken regten unterschiedliche Installationen von Künstlern am Wanderweg an. Abwechslung in das Wandergeschehen brachte eine zweistündige romantische Schifffahrt vorbei am „lauernden Fels“ der Loreley. Der schroffe Schieferfelsen und Stromschnellen im Fluss gefährdeten früher die Schiffe. Die Aufstiegsmühe von Assmannshausen zum Niederwalddenkmal und hinab über Weinfelder nach Rüdesheim, haben wir uns mit einem Sessellift verkürzt. Vom Niederwalddenkmal grüßt weit ins Land die riesige Statue der Germania, aufgestellt 1877 zu Ehren der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871.

Beim Durchwandern terrassierter Steilhänge fallen weiträumige, traurige, auf­gelassene Weinpflanzungen auf. Den Weinanbau brachten die Römer im 3. Jh. in das Land mit idealen klimatischen Bedingungen, seinen sonnenbeschienenen Berghängen beiderseits des Flusses und dem wärmespeichernden Schiefer- und Quarzitboden. Im Mittelalter wurde der Weinbau stark durch die Kirche beeinflusst. Die Weintraube ist das Symbol für das Leiden Christi, der Weinstock für die Gemeinschaft der Christen. Neben zahlreichen, für den Segen um gute Weinernte, gebetenen Weinheiligen, stand Maria als Patronin des Weinbaus – sog. Traubenmadonna im Vordergrund. Der Weinbau wurde also besonders durch den Bedarf an Messwein gefördert. Klöster hatten eigene Weinberge. Zwischen dem 10. und 12. Jh. Wurden die meisten Klöster, Stifte und Kirchen erbaut. Erst die Säkularisation im späten Mittelalter läutete den Rückgang des Weinbaus ein. Weitere negative Einflüsse waren Reblausbefall, Aufkommen neuer Getränke, wie Tee und Kaffee (vorher trank hier jeder Erwachsene 2 Liter Wein pro Tag). Zeitweise hoffte man mit Obstbau mehr zu verdienen. Die einerseits sehr günstigen Steillagen von bis zu 65 % Steigung, verhindern den Einsatz von Traktoren und erfordern Handarbeit. Trotz aller Tradition, suchen viele der ehemaligen Winzer heute lieber bequemere Verdienstmöglichkeiten. Die klassischen Rheinweine sind Riesling und Spätburgunder.

Lob dem Wandern: Bereits 1842 sang Victor Hugo in seiner Abhandlung “Der Rhein“ ein Loblied: „Nichts ist so bezaubernd – nach meiner Meinung – wie diese Art zu reisen – zu Fuß! – Man gehört sich selbst, man ist frei, man ist glücklich, man gehört ganz und ungeteilt den Ereignissen auf dem Weg. Man bricht auf, man hält an, man bricht wieder auf, nichts stört, nichts hält zurück. Man geht, und man träumt vor sich hin.“