Pilzwanderung

Elisabeth Rohde

Extrawurst für Liebhaber: Pilzwanderung am 16.09.2017

Die Exkursion war von einer Sportfreundin vorgeschlagen worden. Wegen des vergangenen recht kühlen Sommers und besonders der unnatürlich kühlen Nächte in letzter Zeit, waren meine pilzbezogenen Hoffnungen etwas kläglich. Aber die regelmäßigen, in letzter Zeit noch verstärkten „Bodenbefeuchtungen“ waren ausschlaggebend für einen freudig erhöhten Pulsschlag der Pilz­sammler.

Am Treffpunkt überraschten mich zehn pilzbegeisterte Sportfreundinnen und -freunde, die man hier im Norden eher seltener findet, da hier die Waldgebiete auch etwas bescheidener ausfallen als in anderen Bundesländern. Gerade wir Flensburger leben in unmittelbarer Nähe zum Nachbarland Dänemark. Nahe der deutsch-dänischen Grenze dehnt sich in Dänemark ein respektables Waldgebiet, die Frøslev-Plantage, aus. Dort könnte man sich sogar verlau­fen …. ja wenn uns unser Wanderleiter Gerd nicht als Orientierungshilfe zur Ver­fügung stünde!

Die Sammelleidenschaft nahm zu, nachdem wir die anfäng­liche Waldidylle für Hundebesitzer durchstreift hatten und tiefer in den schönen Mischwald dran­gen. Sogar ein Pilzfreund war unter uns, der uns mit akribisch recherchierter Theorie über Pilze versorgte.  Alle Theorie ist aber „grau“, wenn man nicht die nötige Erfahrung mitbringt! Bekannte Pilze können auf anderem Boden und in anderem Klima ein anderes Erscheinungsbild aufweisen. Sobald sich ein Hauch Unsicherheit einstellt, immer zu Gunsten von Leben und Gesundheit entscheiden – also bei geringster Unsicherheit den Pilz verwerfen!

Noch eins, so mancher behauptet, Pilze müssten abgeschnitten werden, um seine Art nicht auszurotten? Aber die abgeschnittenen Pilzreste im Boden ver­faulen lediglich. Pilze vermehren sich durch Sporen, die im Boden ein netz­förmig ausgebreitetes Myzel bilden. Der oberirdische Pilz ist lediglich der Fruchtkörper, der vielgestaltig sein kann. Pilze sind Pflanzen ohne Blätter. Sie können nicht durch Photosynthese ihre lebensnotwendigen organischen Stoffe bilden, sondern gewinnen sie aus abgestorbenen Organismen im Boden.

Die höchstentwickelten Pilztypen bestehen aus Stiel und Hut. Es sind meist die, nach denen wir suchen. Die grobe Unterscheidung der Pilze erfolgt in Blätter- und Röhrenpilze. Es gibt essbare und giftige Pilze! Zahlreiche Gele­genheitspilzsammler meinen, vor Vergiftungen sicher zu sein, wenn sie nur Röhrenpilze sammeln. Wahrscheinlich basiert das auf der Kenntnis der beiden hochgiftigen Knollenblätterpilze, des grünen und des weißen. Sie ent­halten die Amatoxine und Phallotoxine, die schon in kleinen Dosen durch schwere Leberschädigung tödlich wirken können. Erste Symptome treten erst nach sechs Stunden auf!!

Aber auch unter den Röhrenpilzen findet sich der seltene, giftige Satans­röhrling (mit roten Röhren). Der Gallenröhrling verdirbt mit seinem bitteren Geschmack das ganze Essen. Er ist ungenießbar. Einzelne ungenießbare Pilze können ohne nachweisbares Toxin allergische Reaktionen auslösen. Heute unterscheidet man nur noch essbare und giftige Pilze!

Nach drei Stunden begeisterten Suchens und euphorischer Präsentation voller Körbe und Beutel, erfolgte die kritische Inspektion. Das eine oder andere Pilzexemplar musste dann doch im Wald bleiben. Schließlich konnten alle ihre bereinigte Beute beruhigt zu leckeren Pilzgerichten nach Hause tragen.

Wenn die Pilze frisch verarbeitet wurden und Alkohol nicht unmittelbar dazu getrunken wurde, dürften keine Magenverstimmungen aufgetreten sein.

„Ah, da rieche ich etwas, das Freude macht. Ein feuchter, dicklicher, fettlicher, etwas dumpfer Geruch zeigt mir Pilze an, Steinpilze, die man hier nicht allzu häufig findet, denn auch der Tessiner ißt Steinpilze gern (im Risotto schmecken sie wunderbar) und sucht sie mit Eifer.  Eben habe ich einen angetroffen, der schlich gespannt und lauernd  wie ein Jäger an mir vorbei durchs Gehölz, den Blick scharf am Boden, in der Hand eine leichte schlanke Gerte, mit der er an jeder Stelle, die ihm etwas zu versprechen scheint, das dürre Laub beiseite fegt. Aber diesen hübschen Steinpilz hier mit dem kräftigen dicken Kopf hat er also nicht gefunden, der gehört mir; heute Abend wird er gegessen.“
(aus: Herbst – Hermann Hesse 1926)