Kappadokien

Kappadokien/Zentraltürkei
acht Tage Genusswandern und Kultur

vom 17.04. bis 24.04.2012

Rosi Gerlich:

Wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Wanderreise? Ursprünglich plante ich eine Tour auf dem Lykischen Pfad, kam aber mit der Planung via Internet nicht so richtig voran. Dann lernte ich Ali Kaya kennen, der mich überzeugte, dass Kappadokien viel interessanter sei. Ich war sofort begeistert, und so stand nach einem köstlichen türkischen Abendessen im März 2011 in Berlin nach wenigen Stunden die ganze Planung fest. Nun begann die lange Zeit des Wartens und der Erwartung auf ein neues Abenteuer.

Kappadokien liegt in der Zentraltürkei, etwa 650 km von Istanbul entfernt zwischen Ankara und Adana auf einer Hochebene von 1.200 m und umfasst eine Fläche von etwa 10.000 Quadratkilometern. Durch Eruptionen der Vulkane Erciyes und Hasan vor etwa drei Millionen Jahren wurde Kappadokien mit einer hohen Schicht aus Lava, Asche und Schlamm bedeckt. Das Wunderland in seinem heutigen Zustand ist ein Werk, an dem Mensch und Natur Hand in Hand gearbeitet haben. Schon vorgeschichtliche Menschen haben hier ihre Spuren hinterlassen. Werkzeuge und Höhlenmalereien aus der jüngeren Steinzeit wurden gefunden. Nachdem die Vulkane erloschen waren, haben Wind, Wetter und insbesondere der Rote Fluss „Kızılırmak“ aus dem Tuffgestein die absonderlichsten und skurrilsten Denkmäler modelliert, die die kühnsten Vorstellungen des Betrachters übertreffen. Der Name Kappadokien stammt von dem altpersischen Katpatuka und bedeutet „Land der schönen Pferde“ und war eines der wichtigsten frühchristlichen Zentren. Mehr als 3.000 Kirchen, die dort bis heute entdeckt wurden, zeugen von der christlichen Vergangenheit, die bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts reichte. Kappadokien lag an der berühmten Seidenstraße. Die dort lebenden Menschen wurden oft von vielen unterschiedlichen Aggressoren überfallen. Deshalb haben die Bewohner das weiche Tuffgestein ausgehöhlt, um sich darin zu verstecken. So entstanden ganze unterirdische Städte, die heute noch teilweise zu sehen sind. Wegen dieser regen Kulturgeschichte und den atemberaubenden Landschaftsformationen wurde die Region von der UNESCO 1985 als Weltkulturerbe und Weltnaturerbe unter Schutz gestellt. (Quelle: Ministerium für Kultur und Tourismus, Wikipedia)

Quelle: http://www.weltkarte.com/europa/tuerkei/karte-regionen-tuerkei.htm

Begleitet wurde ich auf dieser Reise von Heike Christiansen, Anne Dümke, Jutta und Peter Erichsen, Sigrid Jenderny, Trude Lamp, Jutta Mairose, Lorenz Matzen, Gudrun Römert, Elisabeth Rohde und Anne Schlemeier sowie von Rosemarie Döge, Hannelore Lorenzen, Dorothea Papenbrock und Elke und Uwe Ruppel als Gäste.

Am Hinreisetag, Dienstag der 17.04., verlief alles nach Plan: 06:09 Uhr Abfahrt in Flensburg, Umsteigen in Neumünster in den Flughafenbus, Abflug um 11:35 Uhr in Hamburg mit Turkish Airlines nach Istanbul, dort Weiterflug nach Kayseri und schließlich Ankunft um 18:40 Uhr und Empfang durch Ali Kaya mit Busfahrer und Bus, die uns die ganze Woche über begleitet haben. Um 20:30 Uhr erreichten wir das Hotel „Kral“, ein kleines und feines Familienhotel in Ürgüp, wo uns ein köstliches Abendessen sowie eine kalte Nacht erwarteten.

Das „Hotel Kral“ in Ürgüp

Mittwoch, 18.04.: Die erste Wanderung führte uns durch das 14 km lange Ihlara-Tal entlang des Flüsschens Melendiz. Die bis zu 150 m hohen kantigen Felsformationen wurden nicht durch Wind und Wasser geformt, sondern sind durch Frostrisse und entsprechende Felsabstürze entstanden. Da der Melendiz auch im Sommer Wasser führt, herrscht hier das ganze Jahr über eine üppige Vegetation, die unzähligen Vogel- und Schmetterlingsarten Lebensraum bietet. Unterwegs besichtigten wir die Höhlenkirchen Pürenliseki und Ağaçaltı mit Fresken aus dem 9. Jahrhundert. Mittagessen gab es in einem Restaurant im Freien direkt am Fluss. Den Abschluss der sechsstündigen Wanderung bildete eine Weinpause mit Besichtigung der Selime Kathedrale, einem Felsenkloster, deren Kirche die Form einer dreischiffigen Basilika hat.

Im Ihlara-Tal

Donnerstag, 19.04.: Den Vormittag verbrachten wir im Taubental, das seinen Namen gefühlten Millionen von Tauben zu verdanken hat. Dass Tauben Saltos schlagen können, wurde uns beeindruckend demonstriert. Und dass eine Teepause ein Comedy-Highlight sein kann, führte uns Hasan in seinem aus Baumstämmen und blauer Plane gebauten Open-Air-Teehaus vor. In einem Quiz testete er unsere Türkei-Kenntnisse und belohnte jede richtige Antwort mit einem Gewinn und einem herzhaften und ansteckenden Lachen. Nach dem Mittagessen in Göreme standen das beeindruckende Liebestal sowie das Weiße Tal auf dem Programm. Warum Liebestal? Das bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen. Dieser grandiose Tag war aber noch nicht zu Ende, denn zum Abschluss besuchten wir noch die Burg von Uçhisar.

Feen-Kamine im Liebestal

Freitag, 20.04.: Heute war die Nacht bereits um 04:20 Uhr vorbei, da ein ganz besonderes Schmankerl auf uns wartete, nämlich eine Ballonfahrt bei Sonnenaufgang. Das einstündige Erlebnis war monumental-gigantisch. Nach der Landung gab es für jeden Teilnehmer ein Glas Sekt und eine Urkunde. Nach Rückkehr zum Hotel und Frühstück starteten wir zu einer erneuten grandiosen Wanderung durch das Semi-Tal und zu einem weiteren Liebestal. Zum Lunch kehrten wir in einer Lederfabrik ein, wo mit Wein unseren Lederjacken-Lustkäufen nachgeholfen wurde. Nun stand der Besuch des Göreme Freilichtmuseums auf dem Programm. Wir besichtigten mehrere Höhlenkirchen, darunter die imposante Dunkle Kirche, deren farbenfrohe Fresken (teils restauriert, teils beschädigt) in das 9. und 11. Jahrhundert datiert werden. Unser Guide Ali erläuterte in beeindruckender Weise das damalige Leben in den Höhlen und insbesondere die Bedeutung der Fresken und der Wohnräume. Überfüllt mit wunderbaren Eindrücken von Kappadokien und dem stets am Horizont thronenden schneebedeckten Taurusgebirge vereinbarte ich am Abend mit Ali eine Taurus-Tour mit Besteigung des Embler (3.750 m) für das kommende Jahr.

Ein gigantisches Erlebnis: Ballonfahrt durch die Märchenwelt Kappadokiens

Samstag, 21.04.: Nach dem wie immer reichhaltigen Frühstücksbüfett fuhren wir nach Soğanlı, um von dort aus auf einen Tafelberg zu steigen. Die Bevölkerung Soğanlıs wurde wegen Einsturzgefahr durch herabstürzende Felsen aus dem ehemaligen Dorf, dessen Häuser teilweise noch vorhanden sind, in ein neues Dorf umgesiedelt. Zunächst besuchten wir die Barbara-Kirche, eine von etwa 100 ehemaligen Kirchen, die vom 9. bis 13. Jahrhundert von byzantinischen Mönchen erbaut wurden. Auf dem Weg zum Tafelberg beobachteten wir Schildkröten beim Liebesspiel und zahlreiche Eidechsen. Auf dem Rückweg kehrten wir bei einer türkischen Familie in deren ehemaligen Haus ein, wo wir herzlich empfangen und zu Tee eingeladen wurden. Aus dieser Familie stammt Yavuz, der beste Puppenmacher von Kappadokien. Während wir den Tee genossen, hielt Ali einen Vortrag über die Derwische aus Konya, die wir am späten Nachmittag besuchten. Mittagessen gab es wieder in einem Restaurant im Freien. Danach fuhren wir nach Kaymaklı und besichtigten die dortige unterirdische Stadt, die mich tief beeindruckt hat.

Das verlassene Dorf Soganli

Aus Wikipedia: „In Kappadokien sind bis heute 36 unterirdische Städte entdeckt, von denen nur ein kleiner Teil für Besichtigungen aufbereitet ist. Das weiche und dadurch leicht zu bearbeitende Tuffgestein der kappadokischen Landschaft bietet beste Voraussetzungen für derartige Anlagen. Es wird angenommen, dass sie teilweise schon im dritten Jahrtausend v. Chr. von den Hethitern angelegt wurden. In römischer Zeit wurden sie von den urchristlichen Gemeinden ausgebaut, um Schutz vor der Verfolgung durch das römische Reich zu bieten. Sie wurden zum Teil noch 1838 als Zuflucht vor ägyptischen Truppen benutzt. Später benutzten die türkischen Bewohner die oberen, am leichtesten zugänglichen Räume als Ställe und vor allem als Lagerräume, da dort eine konstante Temperatur von sechs bis acht Grad Celsius herrscht. Kaymaklı wurde Anfang der Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts untersucht und dem Tourismus zugänglich gemacht. Die Anlage besteht aus acht Stockwerken, von denen fünf beleuchtet und für Besucher begehbar sind. Das oberste Stockwerk, dessen Räume höher und bequemer zu begehen waren, enthält vor allem Ställe und Lagerräume. Ein komplexes System von Tunnels führt weiter abwärts, im nächsten Stockwerk befinden sich Wohnräume, man findet einige runde, meterhohe Verschlusssteine, mit denen die Gänge versperrt wurden, und eine Kirche mit zwei Apsiden. Ein skulpierter Tuffblock in der Mitte des Raumes hatte vermutlich die Funktion eines Altars. In den Nachbarräumen sind in den Wänden Grablegen eingelassen. Ein reliefierter Granitblock im dritten Untergeschoss wurde wahrscheinlich als Schmelztiegel für Kupfer benutzt. Die nächsten beiden Stockwerke enthalten Weinpressen, Depots mit Mulden für Tongefäße, in denen Lebensmittel gelagert wurden, und eine große Gemeinschaftsküche mit Herdstellen. Da nicht nur die Bewohner der Stadt Sauerstoff verbrauchten, sondern auch die zur Beleuchtung angebrachten Fackeln, und auch für Rauchabzug von den Feuerstellen gesorgt werden musste, ist die gesamte Anlage mit einem äußerst durchdachten Belüftungssystem versehen, wobei sich die größeren Räume um die Luftschächte gruppieren. Schätzungen über die Zahl der Bewohner schwanken zwischen 3.000 und 15.000.“

In der unterirdischen Stadt Kaymakli

Den Abschluss des Tages bildete dann ein Besuch bei den Tanzenden Derwischen in Ortahisar. „Der Ausdruck Derwisch bezeichnet vor allem in den europäischen Sprachen einen Sufi, einen Angehörigen einer muslimischen asketisch-religiösen Ordensgemeinschaft, die im Allgemeinen für ihre Bescheidenheit und Disziplin bekannt ist. Derwische praktizieren den Sufismus und gelten als Quelle der Klugheit, der Heilkunst, der Poesie, der Erleuchtung und der Weisheit. Zahlreiche Derwische legen das Armutsgelübde ab und leben in mönchisch zurückgezogener Askese. Sie leben nach einer Mönchsregel, in gewissem Sinn manchmal mit christlichen Mönchsorden vergleichbar, es existieren aber auch Unterschiede wie beispielsweise das Gebot zur Führung eines Ehelebens. Der ekstatische Trancetanz, der im Mevlevi-Orden der Türkei ausgeübt wird, gilt als eine der körperlichen Methoden, in religiöse Ekstase zu verfallen und mit Allah in Kontakt zu kommen.“ (aus Wikipedia)

Sonntag, 22.04.: Der Vormittag war zunächst dem Meskendirtal, dann dem Roten Tal und dem Rosental gewidmet. Das Rote und das Rosental haben ihre Namen durch das dort befindliche rote Gestein erhalten. Wie alle anderen Tälern sind auch sie traumhaft wunderschön. Bei der Teepause konnte die Haçli-Kirche besichtigt werden. Mittagessen gab es in Cavusin, danach fuhren wir nach Avanos, um die Güray-Töpferei zu besichtigen. Nach einer interessanten Führung mit Erläuterung der einzelnen, sehr aufwändigen Arbeitsschritte musste ich selbst an die Töpferscheibe und meine Fertigkeiten an diesem mir unbekannten Handwerksgerät unter Beweis stellen. Nach einem Heidenspaß sowohl für die Zuschauer als auch für mich selbst, brachte ich – mit Unterstützung eines versierten Töpfers – eine recht ordentliche Schale zustande. Wir waren alle überwältigt von den herrlichen, aber leider auch sehr teuren Kunstwerken. Für das eine oder andere Erinnerungsstück bzw. Geschenk hat es dann aber doch noch gereicht. Weiter ging es mit dem Bus zunächst in das Tal von Paşabağ (Mönchstal), in dem es besonders skurrile Feenkamine gibt, dann in das Devrent-Tal, auch Phantasietal genannt, wo bereits unzählige Reisebusse mit überwiegend asiatischen Touristen für Fotostopps parkten. Als wäre das noch nicht genug gewesen, fuhren wir noch nach Mustafapaşa, ein ehemaliges griechisches Dorf, dessen Bewohner 1923 in einem Bevölkerungsaustausch gemäß dem Vertrag von Lausanne zwischen der Türkei und Griechenland umgesiedelt wurden. Von diesem gegenseitigen Austausch waren etwa 300 000 Menschen betroffen. Mit diesem Vertrag wurden auch die bis heute gültigen Grenzen des neuen Staates, der Republik Türkei, völkerrechtlich anerkannt.

Paşabağ – das Tal der Mönche

Montag, 23.04.: Die Besonderheit der heutigen Wanderung durch das Çat-Tal waren insgesamt 18 Überquerungen eines kleinen Bachs, bei dem neben Ali insbesondere Anne Schlemeier hilfreich zur Verfügung stand. Bei einer kleinen Pause auf einem Bauernhof wurde uns vom 14-jährigen Sohn Tee ausgeschenkt und auch Ayran, ein Erfrischungsgetränk aus Joghurt und Wasser, das mit Salz schaumig gerührt wird. Am Ende des Çat-Tals befindet sich eine Treppe mit 161 Stufen hinauf in das Dorf Çat, wo wir bei einer Bauernfamilie auf der Dachterrasse ein köstliches Mittagessen serviert bekamen. Mit dem Bus ging es dann nach Nevşehir in die Kurşunlu-Moschee, die älteste Moschee in Kappadokien, in der uns Ali wiederum einen beeindruckenden Vortrag über Religionen hielt (glaube ich, habe leider die Hälfte verschlafen). Anschließend hatten unsere Kreditkarten einen Großeinsatz in dem staatlich geförderten Teppichknüpfinstitut DETAY, das Lehrlinge ausbildet, etwa 700 Frauen in Heimarbeit beschäftigt und wahnsinnig viele und wunderschöne Teppiche verkauft. Bei einem äußerst interessanten Vortrag des Firmenchefs wurden wir in die hohe Kunst des Teppichknüpfens eingeweiht und mit türkischem Mokka und Raki kauffreudig gemacht, was sich für den Betrieb ganz schön gelohnt hat.

Eine von 18 Bachüberquerungen im Cat-Tal

Unser letzter Tag in Kappadokien neigte sich dem Ende. Nach dem Abendessen trafen wir uns alle in „Kral 1“, dem riesigen Zimmer, das Rosemarie und ich uns teilten, und genossen die letzten Flaschen Wein aus Kappadokien. Wir waren erfüllt von unzähligen neuen Eindrücken und begeistert von dieser außergewöhnlichen Wanderreise, aber auch traurig, dass sie nun vorbei war.

Dienstag, 24.04.: Frühstück, Fahrt zum Flughafen in Kayseri, endgültiger Abschied von Ali, der sich bis zur letzten Minute rührend um uns kümmerte, Flug via Istanbul nach Hamburg, wo wir uns von Sigrid, Dorothea, Anne und Trude verabschiedeten, und Rückfahrt mit einem modernen dänischen Airport-Shuttle-Bus nach Flensburg. Um kurz nach 20:00 Uhr war diese imposante Reise dann am ZOB endgültig vorbei.

Ein türkisches Sprichwort sagt:

„Vergangenheit ist Geschichte,
Zukunft ist ein Geheimnis
und Heute ist ein Geschenk.“

Ich habe dieses Geschenk mit großer Begeisterung und Dankbarkeit angenommen.

— — — — — — — — — — — — — —

Heike Christiansen: Kappadokien – eine Märchenlandschaft

In den bizarren Felsformationen ver­stecken sich Kirchen, Klöster, Woh­nungen und sogar ganze unter­irdische Städte aus mehreren Stock­werken, die durch Treppen und Tun­nel miteinander verbunden sind.

Aber es gibt auch massenhaft Tau­benschläge im Tuffgestein (siehe Foto). Sie sind typisch für die Täler in Kappadokien. Sie wurden in den Fels gemeißelt, um die Tauben anzu­locken. Ali, unser Guide, fragte uns am Ende unserer ersten Wanderung durchs Ihlara-Tal, ob wir glauben, dass Tauben Purzelbäume schlagen kön­nen. Wir guckten zunächst ganz ungläubig, aber wer weiß?! So ge­sellte ich mich mit zur Gruppe der “Gläubigen”, andere waren skepti­scher, also die “Ungläubigen“. Ali: ich werde Euch morgen den Beweis er­brin­gen. Am nächsten Morgen ging es per Bus zum Ausgangspunkt unserer nächsten Wanderung durch das Tauben­tal. Ein junger Mann hatte eine Taube in der Hand und warf sie dann in die Luft. Und siehe da, sie schlug einen Purzelbaum nach dem anderen. Das sah schon sehr komisch aus. So hatten wir unseren Beweis: Türkische Tauben können Purzelbäume schla­gen.

Taubenschläge

— — — — — — — — — — — — — —

Jutta Erichsen: Montag, 23.04.2012

Heute ist unser letzter Wandertag, laut Aussage von Ali der schwerste. Wir fahren eine ¾ Std. zum Çat-Tal. Es folgt ein langer, stau­biger Feldweg und dann geht es bequem abwärts am Fluss entlang. Ich bin froh, dass meine Knie so lange und gut mitgemacht haben und bin voller Hoffnung, dass ich auch die nächste Reise nach Berchtesgaden mitmachen kann. Diese Gedanken hatte ich wohl zwei Stunden zu früh. Nach ca. einer Stunde schießt mir ein Schmerz durch das linke Knie und ich kann nicht mehr auftreten. Dank Bandagen, Stöcken und Tabletten humple ich aber weiter. Die Rast auf einem Bauernhof nutze ich zum Kühlen. Beim Weitergehen be­kom­me ich einen Vorsprung und kann mit Peter voraus gehen. Da wir etliche Male einen Bach überqueren müssen, ist die Gruppe auch nicht so schnell und ich halte die Gesellschaft nicht auf mit meinem Tempo. Außerdem ent­decken wir immer wieder einige Schildkröten.

Schildkröten beim Liebesspiel

Wir machen noch einmal Rast auf einer schönen Wiese und genießen die schönen Ausblicke. Am Ende des Tales er­war­ten uns 161 Stufen aufwärts, und die werden von Allen gut ge­meistert. Im Dorf erwartet uns ein typisches türkisches Mittagessen bei einer Familie.

Bauernfamilie in Cat

Dann geht es weiter zur größten, schönsten und ältesten Moschee der Region in der Provinzhauptstadt mit Vortrag von Ali über den Islam. Den Abschluss der Wanderung bildet ein Besuch eines Teppichinstituts mit Füh­rung und netter Bewirtung. Wir verlassen die gastliche Stätte nach zwei Stunden, nach­dem etliche der Wanderer ihre Kreditkarte gezückt hatten und jetzt um ein schönes Stück reicher sind. Es waren erlebnisreiche, vollgepackte Wander­tage mit sehr vielen Informationen.

— — — — — — — — — — — — — —

Elisabeth Rohde: Kappadokien – Land im Aufbruch

Das riesige Land nimmt zweieinhalbmal die Größe Deutschlands ein und liegt zu 97 % auf dem asiatischen Kontinent, nur 3 % erreichen Europa um das Marmarameer herum, grenzend an Bulgarien und Griechenland. Die Südküste des Schwarzen Meeres gehört vollständig zur Türkei. Weitere Grenzen im Osten verlaufen zu Georgien, Armenien und Iran; im Süden schließlich zu Irak und Syrien. Die Republik Türkei wurde 1923 von Kemal Atatürk gegründet. Er führte per Gesetz die Pflicht für den Türken ein, einen Familiennamen zu tragen.

Das Eisenbahnnetz ist in der Türkei unterrepräsentiert. Zwei wichtige Linien sind Anfang des 20. Jh. von Deutschland, unter Kaiser Friedrich Wilhelm, von den beiden größten Häfen Istanbul und Izmir zu Bodenschatzregionen im Lan­desinneren gebaut worden. Als Bezahlung wollte Deutschland wichtige Boden­schätze wie Kupfer, Chromerze, Mangan, Schwefel, Wolfram, Zink, Zinn, Ko­balt, Molybdän und Steinkohle abbauen. Der Türkische Staat ließ sich auf das Geschäft nicht ein, sondern bezahlte die deutsche Investition. Derzeit wird der Ausbau von Straßen, insbesondere auch von Autobahnen, forciert.

Noch immer sind etwa 50 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft be­schäftigt. Das Land kann sich mit landwirtschaftlichen Produkten, besonders Gemüse, selbstständig versorgen. Der Anbau erfolgt in mittelmeernahen Re­gionen. In Kappadokien, das um 1 000 m hoch liegt, gedeihen überwiegend Kartoffeln, Wein und Aprikosen, teilweise auch Mandeln und Granatäpfel. Die blühenden Aprikosen- und Mandelbäume verleihen der kargen Landschaft ein liebliches Aussehen. Fleisch ist knapp und teuer, da das in nichtislamischen Ländern dominierende Schweinefleisch fehlt. Die Möglichkeit, Lammfleisch in angrenzende islamische Länder zu exportieren, verknappt auch dieses Ange­bot.

Zum in Deutschland immer wieder aufflammenden Problem „Kopftuchtragen“: Für im öffentlichen Dienst tätige Frauen ist in der Türkei das Tragen eines Kopftuches verboten. In Deutschland ist diese Forderung der Demokratie ge­schuldet; man kann dort tun, was man möchte!

Ziel unserer Reise war das zentralasiatische Hochland Kappadokien mt seinen vulkanisch bedingten, im wahrsten Sinne des Wortes phantastischen Ge­steins­formationen. Die Felskegel oder ‑wände sind zum Teil siebartig von Höh­lenwohnungen, Kapellen und Kirchen der frühen Christen durchlöchert. Die in den Felsen 3 000 Jahre alte Taubenzuchttradition wird auch heute noch betrieben.

Von hervorragender touristischer Attraktion sind die 600 bis 800 Jahre alten Fresken der orthodoxen Heiligenlegenden in den Höhlenkirchen, teilweise auch nur ikonoklastische Ausmalung (keine bildliche Darstellung). Die Ausma­lun­gen weisen einen unterschiedlichen Erhaltungszustand auf. Die Höhlen­wohnungen waren Zufluchtsort bei den frühen Christenverfolgungen. Die Tau­ben dienten den Geflüchteten als Brieftauben und als Nahrung.

Die Wanderungen erfolgten über Tafelberge, überwiegend aber im nicht ganz leichten Auf und Ab durch flussführende, und damit angenehm begrünte, tief eingeschnittene Canyons, in denen wir zum Teil zahlreichen Landschildkröten begegneten.

Obwohl unsere Reise keine von den vielen angebotenen Schnäppchen war, hatten wir trotzdem das Vergnügen, an vier Verkaufsveranstaltungen teilzu­neh­men! Gern hätten wir stattdessen Freizeit für den Besuch auf einem lan­des­typischen Markt genutzt, für den uns nur 15 Minuten (!) auf ausdrücklichen Wunsch genehmigt wurden.

Wir erlebten eine aktive Reise mit interessanten neuen Erkenntnissen, die wir Rosis unermüdlichem Organisationstalent und dem erstaunlichen Wissen, ins­be­sondere zu den christlichen Legenden, unseres Guides Ali Kaya zu ver­danken haben. Er war besonders auf den Wanderungen sehr hilfsbereit und darum besorgt, dass niemand zu Schaden kam.